Sozialwissenschaften in Osnabrück studieren – was hat Bologna vor Ort bewirkt?

Podiumsdiskussion am 2. Juli 2010

Wie hat der Bolognaprozess die sozialwissenschaftlichen Studiengänge und das Studieren an der Universität Osnabrück verändert? Um diese Frage drehte sich die vom Alumniverein am 2. Juli 2010 veranstaltete Podiumsdiskussion. Als Teilnehmer waren auf dem Podium György Széll und Ralf Kleinfeld als Professoren, Christian Albers und Philipp Möcklinghoff trugen ihre Sicht als Studierende der alten und der neuen Studiengänge bei. Bereichert wurde die Diskussion zudem von David Seaman , welcher aus eigener Anschauung über die Unterschiede der deutschen und der amerikanischen Studiengänge berichten konnte. Moderiert wurde die Veranstaltung von Julia Becker.

Prof. György Széll
Prof. György Széll

Zu Beginn der Diskussion machte Professor Szél mit einem historischen Abriss  deutlich, dass es eine Europäisierung bzw. Internationalisierung der Studiengänge vom  16. Jahrhundert bis zum Aufkommen des Nationalismus bereits gegeben hatte. Der  heutige Reformprozess sei aber leider keine Wiederherstellung alter Bildungsideale,  sondern zu sehr von ökonomischen Interessen geprägt. Széll wies hier auf den  Unterschied zwischen Bilden und Ausbilden hin sowie auf die Frage, was hiervon der  Auftrag der Sozialwissenschaften sei. Als Studierender der neuen Studiengänge sah  Philip Möcklinghoff insbesondere eine systematische Verschulung, welche die  Unterschiede zwischen Universität und Fachhochschule aufhebe. Gerade in den  Geisteswissenschaften könne man nicht auf ein konkretes Berufsfeld abzielen, weshalb  die Bologna Vorgaben hier nicht funktionieren könnten. Der Druck zu kurzer  Studienzeiten würde außerdem zu einer zunehmenden Entpolitisierung der  Studierenden führen. Zudem würde den Hochschulen und Fachbereichen die individuelle  Gestaltungsfreiheit bei der Ausgestaltung ihrer Studiengänge genommen.

Professor Kleinfeld merkte an, dass man nicht alle Probleme auf den Bologna-Prozess schieben dürfe, da viele der häufig Kritisierten Punkte, wie die soziale Selektion oder die erschwerte Finanzierung des Studiums, durch die politischen Rahmenbedingungen verschlechtert worden seien. Auch habe sich der Bologna-Prozess     in Osnabrück durchaus positiv bemerkbar gemacht, indem beispielsweise die Abbrecherquote deutlich gesunken sei.

David Seaman berichtete von seinen persönlichen Erfahrungen in Form eines Bachelorstudiums in den USA und des Masters „Demokratisches Regieren und Zivilgesellschaft“ in Osnabrück. Seine Erfahrungen seien durchweg positiv, denn die Mobilität der Studierenden würde gut funktionieren und die begrenzte Freiheit in den Bachelor und Masterstudiengängen sei ein rein subjektives Gefühl. So sei das Studium in den USA deutlich verschulter als in Deutschland.

Christian Albers, der sein Studium noch mit dem Magister Artium abschloss, bemerkt  einen deutlich zugenommenen Druck und eine Überlastung der Studierenden in den  neuen Studiengängen. Seiner Erfahrung nach hatte man im Magister noch die Zeit,  auch mal „nach rechts und links zu schauen“, welche er bei den neuen Studiengängen  vermissen würde.

Auch aus dem Plenum gab es unterschiedliche Bewertungen des Bologna-Prozesses.

So berichtete Felix Wurm von der DVPW, dass man anfängliche eine große Sorge um  die Vermittlung fachlicher Grundlagen bei der Einführung eines Bachelor  Politikwissenschaft gehabt habe, sich diese aber nicht bestätigt habe. D

Christian Albers
Christian Albers

ie  zunehmende Mobilität     sei sinnvoll und notwendig, da sich Studierende auf einen  internationalen Arbeitsmarkt vorbereiten müssten. Hierfür seien Auslandsaufenthalte  enorm wichtig, gerade in Deutschland fehle hier noch Interesse und Mut zur Mobilität.  Dass es möglich sei, noch deutlich zügiger mit Schule und Studium fertig zu werden,  beweise das System der Niederlande, wo Promovenden im Schnitt 27 Jahre alt seien.

Von den anwesenden Studierenden wurde dazu kritisch angemerkt, dass Auslandsaufenthalte sehr früh geplant werden müssen, was angesichts der hohen Anzahl an Prüfungen und der kurzen Studienzahlen oftmals schwer zu realisieren sei. Dies zeige sich gut am Fachbereich Sozialwissenschaften, da mit Einführung von neuen und in diesem Punkt leicht abgeschwächten Prüfungsordnungen auch mehr Studierende ins Ausland gingen.

Das nachträgliche Wechseln von Studiengängen sei durch die kurzen Studienzeiten zudem deutlich erschwert worden, wodurch sich auch die geringeren Abbrecherzahlen erklären würden.

Trotz des heißen Wetters kam es zu einer anregenden und sehr informativen Diskussion.